Dass sich nicht jedes Ubisoft-Open World-Spiel zu 100 Prozent vom anderen unterscheidet, dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Besonders bei der Assassin´s Creed-Reihe kann man leicht durcheinander kommen. Wirklich viel hat sich in den Assassin´s Creed-Jahren nicht getan, auch wenn Black Flag die bestätigende Ausnahme sein mag. Mit Far Cry beginnt die Ubisoft-Neuzeit mit Teil drei und seitdem hielten sich Innovationen auch im altehrwürdigen Franchise Grenzen.
Faszinierend daran ist – rein aus meiner Perspektive, euch darf es wurscht sein – dass ich kein einziges Ubisoft-Open Word-Spiel ausgelassen habe und jedes neue mit offenen Armen in Empfang nahm. Zwar nicht direkt zum Release, aber auch nicht erst Jahre später. So war es auch bei Ghost Recon Wildlands.
Erwartungen zu enttäuschen, ist sicherlich nicht Ubisoft´s Ding (Das kommt natürlich auf die Erwartungen an. Wer beispielsweise bei Far Cry 5 davon ausging, einen spritzig-intellektuellen Kommentar auf die aktuelle politische Lage in den USA unter Trump geliefert zu bekommen, war sicherlich völlig überrascht, dass es anders kam und war zu Tode betrübt). Letztlich ist es nur konsequent, wenn mit Wildlands, das wie The Division unter dem zweifelhaften Tom Clancy-Label verkauft wird, ein einziges Spiel quasi alle Aspekte abbildet, die man an der Ubisoft-Formel liebt, mag, ignoriert oder gar verteufelt.
Ghost Recon Wildlands ist die eierlegende Wollmilchsau unter den Open World-Titeln, auch wenn es nicht bis drei zählen kann.
Eine Weile ist Ghost Recon Wildlands bereits auf dem Markt und kommerziell betrachtet dürfte es deutlich hinter The Division angesiedelt sein. Bei beiden Spielen machte Ubisoft übrigens den mittlerweile schon rituellen Fehler und politisierte anlasslos und intelligenzbefreit zum Launch blöde daher. Dazu später noch ein paar Takte mehr. Was Wildlands für mich ausmacht, ist eine Art Far Cry-Feeling – ohne den unnötigen Storyballast. Wildlands besteht nahezu komplett aus der (Neben-)Missions-Arbeit, die viele bei Far Cry und Assassin´s Creed nicht mögen. Redundanz, wo man nur hinschaut, aber das in Perfektion! Da wird hier eine Basis erobert und dort jemand eingeschüchtert oder The Division-like Nachschubgüter gegen anrückende KI-Bösewichter verteidigt oder per Knopfdruck Computer gehackt. Gefühlte 1000x erledige ich den ganzen Kram und alles, was ich dafür bekomme, ist eine einzelne weitere „befreite“ Region von gefühlt noch 100 zu erobernden Gebieten. Herrje, es ist wirklich immer das gleiche und es hört nie auf. Ghost Recon Wildlands ist kaum zwei Stunden am Stück aushaltbar, aber perfekt für die kleine halbe Ballerstunde nebenbei.
Ja, natürlich es gibt eine „Story“ bei Wildlands. Sie kommt bestenfalls schlicht daher und ist eng mit dem Staat Bolivien verbunden. Löblich ist es durchaus, dass Ubisoft mit großer Hingabe darum bemüht ist, dass die „Spielwelt der wunderschönen Natur des Landes nahe kommt“, so wie das Unternehmen nach einer Klagedrohung des Staates Bolivien kundtat. Wer die Spielwelten aus Far Cry 3 und dessen Nachfolger mochte, wird Ghost Recon Wildlands lieben. Ubisoft leiste mit dem Wildlands-Setting zweifellos mehr als gute Arbeit. Neben dem Mix aus Far Cry 3-Dschungel-Holiday-Ambiente und Far Cry 4-Exotic -Steppe treibt man sich in ansehnlich gestalteten kargen Abschnitten herum, durchstreift Berge und Täler sowie Wüsten und Schnee – es ist einfach ein Freude, sich durch das Wildlands-„Bolivien“ zu begeben.
Warum Ghost Recon Wildlands von Ubisoft in Bolivien verortet wurde, ist mir trotzdem ein Rätsel. Und da sind wir bei der angedeuteten Politisierung. Das Land ist – laut den Autoren – durchzogen von Drogenkriminalität und Korruption, da geht gar nichts mehr und wenn das wirklich so kommt – und es ist ja nicht so, dass die CIA stets um Südamerika einen großen Bogen machte – dann hilft nur noch ein US-Squad, der sich massenmordend durch das Land pflügt. Für den Frieden, selbstverständlich. Es wird auch alles gut, wenn ausländische Spezialeinheiten mit Waffengewalt Angehörige von Kriminellen entführen und (kaum verhinderbar) dann und wann unschuldige Zivilisten um die Ecke bringen. Das alles verantworten wir als Chef der Einheit. Entweder gemeinsam mit den KI-Kameraden oder wahlweise gemeinsam mit Freunden im Koop oder im öffentlichen Spiel mit „Fremden“ (um Gottes Willen). Aufgrund der knochenharten Missions-Arbeit, die zu verrichten ist, gerät die sogenannte Geschichte schnell in den Hintergrund. Zumindest bei mir ist das so. Wildlands funktioniert so wunderbar aufgrund seines außerordentlich gelungenen Gameplays, wozu übrigens auch eine Drohne als kleines, feines Schmankerl gehört, sowie einer kleinen Prise Rollenspiel und so gar nicht aufgrund des dumpfen Drumherums. Ich bedaure das, denn Wildlands hätte als Spiel einen deutlich besseren Ruf verdient als es ihn heute hat.
Gerne würde ich erfahren, warum Ubisoft völlig ohne Not mit unangenehmen Stereotypen derart um sich wirft, dass es nur so in der Birne kracht. Was wohl deren Mitarbeiter von solche einem Quatsch halten? Letztlich nehmen sich die Entwickler einige Freiheiten, wenn die Marschlinie in Richtung Pseudo-Realismus geht. Ghost Recon Wildlands könnte ebenso im Staate Los Bandidos del Reyes spielen. Es wären doch allen wurscht, dass Los Bandidos del Reyes NICHT ein klebriges Abbild von Bolivien mit unaufrichtigem Authentizitätsstempel ist. Wer die sogenannte Ubisoft-PR-Strategie aus seiner Zeit heraus verstehen mag, wirft bitte gerne einen Blick auf diesen Beitrag aus Wired, in dem sich der offensichtlich nicht so ganz branchenferne Autor nicht zwischen klebriger Ubisoft-Öffentlichkeitsarbeit und zarter Kritik entscheiden kann.
Es ist bei Ghost Recon Wildlands nahezu unmöglich nicht über Loot oder eine Mission zu stolpern.
So ganz kann ich von dem Thema nicht lassen. Interessanter Weise lässt mich der „Bolivien“-Quatsch kalt, wenn ich Ghost Recon Wildlands spiele. Dann lasse ich mir von den befreundeten Rebellen einen Hubschrauber in die Nähe meines Unterschlupfes beamen (?). Sogleich steuere ich irgendeinen der dreitausend auf der Map markierten Punkte an, die von Interesse sind und genieße derweil den Flug über das wunderschöne „Bolivien“. Besser geht es kaum, als Flugsimulator für blutige Anfänger ist Wildlands ein Traum – nur stören leider die Abfangraketen die Idylle, die mir die Bösewichte immer mal wieder hinterherjagen. Was alles von Interesse ist? In neuen Regionen sind es erst einmal die Fragezeichen auf der Map, die es zu erkunden gilt. Entweder erhält man dort von Rebellen Informationen oder beschafft sie sich, indem man einen Leutnant der Drogenmafia verhört. Und dann geht´s los: Neben einigen Hauptmissionen pro Region sind Nebenmissionen zu erledigen, die dazu dienen den Support durch die KI-Rebellen zu verbessern, neue Nachschublinien der Drogenbarone zu kapern sowie Hubschrauber und Flugzeuge zu klauen. Darüber hinaus sammelt man neben Dokumenten, die die sogenannte Hintergrund-Story beschreiben, noch Fertigkeitspunkte, mit den man den Squad, Waffen, sich selbst oder die Drohne verbessern kann. Mal ganz abgesehen von den Waffenkisten, in denen entweder ein neues Spielzeug oder attraktiver Zubehör zu finden ist.
Dass Red Dead Redemption 2 in Sachen Immersion noch massiv einen drauflegt, ist an dieser Stelle geschenkt, denn Rockstar konzentriert sich mit Hingabe vorrangig auf die Entwicklung eines einzigen Open Worlds-Spiels, während Ubisoft bekanntermaßen mit mindestens der gleichen Leidenschaft einen Open World-Spielplatz nach dem anderen raushaut. The Division 2 (und nahezu zeitgleich ein Far Cry-Abkömmling) sind bereits erschienen und ich weiß, all die üblichen Ubisoft-Lästermäuler scharren schon längst mit den Hufen und werden auf das einprügeln, was Ubisoft-Videospiele ausmacht: Die Missions-Redundanz und eine kreuzblöde Story. Wer mag, kann die Dinger aber auch einfach mal spielen. Perfektes austariertes Gameplay und wunderschöne Spielwelten sind nicht alles, aber ohne geht es auch nicht (gut) und auch sie machen die Ubisoft-Formel aus. Ghost Recon Wildlands ist dafür ein treffender Beweis.
Dieser Beitrag erschien übrigens bereits bei Polyneux, hier lese ihr eine leicht modifizierte und aktualisierte Variante.
2 Comments
Jens
Nee, Koop fand ich doof, den habe ich nur kurz ausprobiert. Division 2 spiele ich auch nur solo. Die Echos hatte ich lange ignoriert bei The Division, aber später mochte ich sie auch. Mal schauen, wie es bei Division 2 läuft, da schere ich mich aktuell auch noch nicht um sie. 😉
Gameplay ist Far Cry und nicht The Divsion, aber das passt ganz gut. Vielleicht können wir bei Division 2 mal gemeinsam auf die Pauke hauen! 😉
Poly
Dass die Story etwas fragwürdig und vor allem sehr belanglos ist, trifft wirklich genau so auch auf The Division zu. Da konnte ich mich auch schon kurz nach dem Spiel an gar nichts mehr erinnern. Okay, ich bekomme noch zusammen, dass es diese drei Fraktion gab, die sich etwas bei den Gegnertypen unterschieden, aber das war es dann auch. Der Rest war nicht perfekt, hat mich aber am Ende doch länger und besser unterhalten als ich manchmal zugeben mag 😀 Was mich dabei besonders wundert: die ECHOs, die ja eigentlich nur als Collectibles und das übliche Ubi-Filler-Material gedacht sind, fand ich tatsächlich immer richtig interessant, wenn auch die Suche danach nicht immer anspruchsvoll war. Gibt es denn etwas in der Art auch in Ghostlands?
PS: wie sehr lässt sich denn das Gameplay jetzt mit The Division vergleichen?
PPS: Hast du alles solo oder auch den Koop gespielt?